Fiebertherapie nach Coley, Ergebnisse damals und heute
Dr. med. Wolfgang Etspüler, Eppenbrunn
Vortrag auf dem 3. Kongress für komplementäre Krebstherapie, München, 28.04.2013
Schon seit langer Zeit gilt Fieber als ein heilender Mechanismus. Die heilende Wirkung von Fieber wurde bereits 1868 von W. Busch beobachtet, er stellte fest, dass ein Sarkom durch ein Erysipel-Fieber geheilt wurde. In der Ära vor der Erfindung von Zytostatika galt die Fiebertherapie als eine der wenigen erfolgversprechenden Therapieoptionen für fortgeschrittene onkologische Erkrankungen.
Als erster erforschte William Bradley Coley systematisch die Wirkung eines Bakterienlysates auf onkologische Patienten. 1891 injizierte er einem Krebspatienten, der bereits zwei Operationen nach Rezidiven hinter sich hatte und nach der Prognose nur noch wenige Wochen vor sich hatte, die Erysipel-Bakterien der Art Streptococcus pyogenes direkt in den Tumor. Coley wiederholte die Injektionen über mehrere Monate und der Tumor bildete sich bei dem Patienten zurück. Der Patient überlebte acht Jahre. Im weiteren Verlauf verwendete Coley eine Mischung von Streptococcus pyogenes und Serratia marcescens, die er vorher abgetötet hatte und mittels direkter Injektion in Tumoren einsetzte. Nachdem Chemotherapie und Strahlentherapie entwickelt worden waren, gerieten seine Erkenntnisse zunächst in Vergessenheit.
Seine Tochter Helen Coley-Nauts sammelte später die Berichte über Behandlungsfälle und führte eine Auswertung durch. Sie fand eine Fünfjahresüberlebensrate bei Patienten mit inoperablen Weichteil-Sarkomen, die eine Fiebertherapie mit der mixed bacterial vaccine (MBV) erhalten hatten von 56 % (78/138 Patienten); ein außerordentlich gutes Ergebnis, verglichen mit dem Effekt einer Chemotherapie. Auch bei den soliden Tumoren konnte eine Ansprechrate von 50 % und mehr erreicht werden.
Durch die rasante Entwicklung der zytostatischen Therapien der Onkologie in den letzten 50 Jahren konnten teilweise gute Ansprechraten im Rahmen von Poly-Chemotherapien erreicht werden. Trotzdem bestand weiterhin die Notwendigkeit der Entwicklung von Alternativen, da die Chemotherapie häufig zu Resistenzbildungen führte und zudem nicht von jedem Patient akzeptiert wurde. Diese bot die biologische Tumorbehandlung inklusive der wieder erweckten Fiebertherapie.
In Deutschland verwendeten viele Therapeuten das von Firma Südmedica hergestellte Bakterienlysat namens Vaccineurin, das in Anlehnung an die Original Coley-Vakzine entwickelt worden war. Es herrschte eine große Aufbruchstimmung, so dass enthusiastisch sehr viele Anwendungen durchgeführt wurden ohne exakt den einzelnen Verlauf zu protokollieren. Einer der Therapeuten mit der größten Erfahrung in der Fiebertherapie ist Einar Göhring, der selbst über 16.000 Fieberstöße ausführte. Von ihm stammen eine Reihe von Veröffentlichungen und Erfahrungsberichten über die Wirkung der Fiebertherapie. Er berichtete insbesondere auch über gute Erfolge bei soliden Tumoren, so z. B. läge die Ansprechrate bei metastasierten Colon-Ca. über 50%. Auch bei anderen Krankheiten wie chronischen Infektionen und rheumatischen Erkrankungen sei die Fiebertherapie sehr hilfreich. Einar Göhring führte einmal wöchentlich die Fieberstöße durch und versuchte stets Temperaturen um oder über 40 ° Celsius zu erreichen. Da die Patienten eine Beobachtung und auch eine spätere Erholung benötigten, wurden diese Behandlungen im stationären Rahmen (damals Äskulap-Klinik) durchgeführt. Schwere Nebenwirkungen hatte er nie beobachtet.
Nach dem Vaccineurin keine Nachzulassung schaffte, behalfen sich viele Therapeuten mit pyretisch wirkenden Mistelinfusionen, z. B. Iscador M 5 Spezial oder Q 5 Spezial. Diese wurden vor allem an anthroposophischen Häusern durchgeführt und es ließ sich auch hiermit eine niedrige Fiebertherapie durchführen. In keinem Falle ließ sich mit einer Mistelinfusion eine mit Coley´s Toxin vergleichbare Fieberkurve erzeugen.
Aus Mangel an anderen Möglichkeiten blieb nur noch die Option der Selbstherstellung von Bakterienlysaten. Diesen Weg wählte auch die Vita Natura Klinik in Zusammenarbeit mit dem Labor Dr. Neumeyer in Hamburg. Mit der dortigen Vakzine ließen sich ebenfalls hohe Temperaturen über 40° Celsius erreichen, wobei der Temperaturverlauf interindividuell sehr verschieden war. Es gab viele Patienten die den ganzen Tag über Fieber hatten, in der Nacht einen zweiten Fieberschub entwickelten und es gab auch Patienten, die am folgenden Tag noch Fieber hatten. Entsprechend ausgeprägt war die folgende rekonvaleszente Phase mit Erschöpfung und Mattigkeit. Anders als im Original nach Coley wurde im Labor Neumeyer eine einmalig wöchentliche Fiebertherapie empfohlen um den Patienten und dessen Immunsystem nicht zu überlasten.
Diese Coley Toxin (Labor Neumeyer) wurde in unserem Haus über viele Jahre eingesetzt. Eine systematische Auswertung konnte nicht erfolgen, da die Patienten bei uns ausschließlich einige Wochen stationär betreut wurden und eine Nachbeobachtung nicht möglich war. Allgemein konnte festgestellt werden, dass bei allen eine starke Immunaktivierung stattfand, was sich an den Leukozyten- und Lymphozytenwerten, aber auch in der Regulationsthermographie nach Prof. Rost nachweisen ließ. Wenn bei einem Patient die erste Fiebertherapie absolviert worden war, konnten die weiteren Verläufe relativ gut abgesehen werden, es bestand eine geringe intraindividuelle Varianz. Von wöchentlicher Sitzung zu Sitzung musste die fiebererzeugende Dosis nahezu verdoppelt werden. Wenn eine längere Pause stattfand, z. B. vier Wochen, dann musste keine Erhöhung der Dosis vorgenommen werden.
Ein entscheidender Vorteil der Zusammenarbeit mit dem Labor Dr. Neumeyer war die Möglichkeit einer Haftpflichtversicherung speziell für den Einsatz der Coleys-Vakzine. Dies ermöglichte auch die Fiebertherapie im Einsatz bei Nicht-Endstadium-Krebskrankheiten, d. h. außerhalb des „compassionate use“.
Mit Hilfe dieser Vakzine konnten, außer bei onkologischen Krankheiten im Endstadium, auch Patienten in der adjuvanten biologischen Tumorbehandlung, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und anderen Krankheiten behandelt werden um die katalysierende Wirkung des Fiebers einzusetzen aus naturheilkundlichen Gründen. Bei 2 Patienten mit fortgeschrittenem Plasmozytom kam es zum deutlichen Anstieg der Kreatininwerte (einer benötigte Dialyse). Einige entwickelten starken Herpes, sonst wurden keine schweren Nebenwirkungen gesehen.
Wenn man einige Zeit mit diesen Bakterienlysaten gearbeitet hat, ist man immer etwas enttäuscht (ebenso wie der Patient), dass die von Nauts beschriebenen, nahezu an Wunderheilung grenzenden Erfahrungen bei soliden Tumoren, Lymphomen und Sarkomen nicht im reellen Leben klinisch beobachtet werden konnten.
Eine Änderung des Therapieschemas war erst nach Einsatz der neuen Coley Fluid von MBVax Bioscience aus Kanada möglich. Das Behandlungsprotokoll sieht eine tägliche Erzeugung von Fieber oberhalb 39,5° Celsius vor. Dies ist natürlich in Abhängigkeit von Faktoren des individuellen Patienten zu sehen. Die Induktionsphase sollte 6 Wochen dauern. In der Erhaltungsphase ist vorgesehen, 3 Injektionen pro Woche für mindestens 3 Wochen durch zu führen.
Der spätere Verlauf kann nicht genau geplant werden, es ist jedoch aus der Literatur zu erkennen, dass 3 oder 6 Monate noch weiter behandelt werden soll mit einer verminderten Intensität. Bei einem Rezidiv sollte der Patient erneut in die Induktionsphase kommen. An begleitenden Maßnahmen wird die Gabe von Vitamin D, Kalzium und Magnesium als orthomolekulare Medikation empfohlen.
Anders als bei Durchführung einer Ganzkörperhyperthermie in der mehr passiven Methode (Heckelbett) wird empfohlen, vor Erreichen des Fiebergipfels keine Flüssigkeiten oder Nahrungsmittel dem Patienten zu geben. Erst nach Überschreiten des Fiebergipfels wird die Gabe von isotonischen Getränken empfohlen. Die Flüssigkeitszufuhr ist insgesamt nicht hoch zu wählen, anders als bei der passiven Erwärmung. Ungefähr 2-3 Stunden nach Verabreichung der Coley Fluid ist bei der kanadischen Vakzine der Fiebergipfel erreicht, die Zieltemperatur liegt zwischen 39,5 °-41,0° Celsius. Sie dauert einige Stunden, wobei der Patient sich in dieser Phase häufig wohl fühlt. Nach Ausruhen am Nachmittag ist in der Zeit zum Abendbrot 100 % wieder erholt und ausgeschlafen. Er kann mit gutem Appetit das Abendessen einnehmen und ist auch am nächsten Tag nicht beeinträchtigt. Dies ist wohl der Vorteil der kanadischen Vakzine, anders wie beim Ablauf mit der Hamburger Vakzine. Es ist daher in den meisten Fällen durchaus realistisch am nächsten Tag eine erneute Fiebertherapie zu starten. An einigen Tagen war dies bei unseren Patienten nicht möglich, so dass ein- oder zweitägige Pausen die Therapie unterbrachen. Die Coley Fluid wird in unserem Hause im Sinne des „compassionate use“ eingesetzt, d. h. sie ist ausschließlich hoffnungslosen Fällen vorbehalten, so dass vorbehandelte Patienten im fortgeschrittenem Tumorstadium nach vorangegangener erfolgloser konventioneller Therapie ausgewählt werden. Aus juristischen Gründen ist der Einsatz im Sinne des „compassionate use“ in der adjuvanten Therapie oder bei rheumatischen Krankheiten nicht möglich.
Die Behandlungsergebnisse der Coley-Fluid wurden von MBVax in Fallstudien gesammelt. Insgesamt wurden 86 Patienten behandelt von denen 18 eine komplette Remission hatten, eine partielle Remission 43, eine symptomatische Verbesserung 18 Patienten, 7 Patienten hatten keine Verbesserung. Die größte Gruppe der beobachteten Patienten war die mit Brustkrebs, 25 Frauen hatten eine Fiebertherapieserie, von denen 8 Patientinnen eine komplette Remission entwickelten, 14 Patientinnen eine partielle und in zwei Fällen bestand eine symptomatische Verbesserung; in einem Fall gab es keinerlei Verbesserung. Von 9 Patienten mit Lymphom hatten 4 eine komplette Remission, 4 eine partielle und in einem Fall bestand keine Verbesserung. Bei 7 Prostatakarzinom-Patienten hatten 4 eine partielle Remission, 2 eine symptomatische und in einem Fall bestand keine Verbesserung.
Bei den dargestellten Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass erstens die Patienten hoch selektiert waren, da der Einsatz der Vakzine nur im „compassionate use“ - Modus möglich war. Zweitens mussten diese Patienten gleichzeitig eine gewisse Fitness besitzen und mutig sein, da die Therapie einen etwas heroischen Charakter erfordert. Die Kombination dieser beiden Faktoren führt dazu, dass insgesamt nur sehr wenige Patienten zur Auswahl kommen. In unserem Hause wurde im letzten halben Jahr bei 2 Patienten die Fiebertherapie mit der MBVax Coley-Fluid als Serie komplett durchgeführt.
Bei einer 41-jährigen Frau war im Dezember 2011 mittels Mammografie und Stanzbiopsie ein invasiv duktales Mammacarzinom rechts gesichert worden, mit bereits vorliegenden Lungen- und Knochenmetastasen bei den Staginguntersuchungen. Sie führte von Januar bis Juli 2012 eine Chemotherapie nach dem MARIANNE-Protokoll durch. Bei einer CT-Kontrolle vom 16.07.2012 fand sich eine progressive disease. Der stationäre Aufenthalt in unserem Hause lag im August und September 2012. Sie erhielt insgesamt sieben Fiebertherapieschübe, danach wollte sie eine gewisse Zeit nachdenken und ging nach Hause. Sie ließ sich am 21.09.2012 operieren mittels radikaler Mastektomie und Nodektomie Level 1 und 2. Es fand sich ein Tumor von nur 8 mm maximaler Größe (vorher im CT 11 mm), sämtliche Lymphknoten (die vorher im CT teilweise auffällig) waren tumorzellfrei. Am 27.09.2012 zeigte das CT pulmonale Noduli entweder konstant oder rückläufig, ein Herd war ganz weg. Ein Herd in der Leber war nur noch undeutlich zu finden, der Knochenbefund war konstant. Daraus folgt eine Teilremission neoadjuvant mittels Durchführung einer Serie von nur 7 Fieberschüben.
Die zweite Patientin war eine 27 Jahre alte Frau aus Rumänien. Im Jahre 2005 wurde sie in Rumänien am linken Oberschenkel operiert und die Primärdiagnose Angiosarkom gestellt. Danach erhielt sie eine Radio-Chemotherapie und wegen einem Lokalrezidiv wurde sie im Jahre 2010 erneut operiert und chemotherapiert. Im Januar traten Lungen- und Pleurametastasen auf, weswegen sie wieder operiert und chemotherapiert wurde. Es kam zu einer Progression unter Therapie. Bei der Aufnahme hatte sie eine Schmerztherapie wegen starken thorakalen Schmerzen, vor allem linker oberer Brustkorb und im Bereich des Sternums, hier fand man eine Weichteilvermehrung im Bereich des Manubrium. Sie erhielt insgesamt 13 Fieberstöße, bei denen die Temperaturen zwischen 38,3° und 40,4° Celsius lagen. Unter den Therapien kam es regelmäßig zu einer Schmerzverstärkung, die eine vermehrte Morphiumgabe erforderten. Sie machte unter dem Fieber einen schwer kranken Eindruck und benötigte zum Teil, außer den Morphinen auch Sedativa. Am Abend hatte sie sich jeweils erholt und guten Appetit und der Allgemeinzustand verbesserte sich. Insgesamt stieg der Morphiumverbrauch ständig etwas an und die Therapiestärke konnte nicht weiter gesteigert werden. Es mussten einzelne Pause-Tage eingelegt werden. Die Schwellung am Manubrium ging etwas zurück. Der Patientin und ihrem Bruder, der als Begleitperson bei ihr war, war die Therapiestärke nicht hoch genug. Sie verließen unser Haus um anderen Orts stärkere Fiebertherapien durchzuführen. Der weitere Verlauf ist nicht genau bekannt. Per e-Mail erhielten wir die Nachricht, sie sei am 07.12.2012 verstorben.
Therapeutisch gesehen ist die Fiebertherapie mit Sicherheit ein starkes Schwert zur Bekämpfung der Krankheit Krebs, sie hat jedoch zwei Seiten wie wir feststellen mussten. Trotzdem scheint sich der Einsatz der Fiebertherapie, wirklich zu lohnen. Remissionen und ungewöhnlich günstige Krankheitsverläufe wurden beobachtet, obwohl die Ausgangssituation ein fortgeschrittener Tumor war.
Umso effektiver ist natürlich der Einsatz in der adjuvanten Situation beispielsweise nach
einer Tumorresektion oder bei der Therapie von Präkanzerosen und benignen Krankheiten wie chronischem Müdigkeitssyndrom, Beschwerden nach Borreliose, chronischer Immun-abwehrschwäche
u.a..