Einsatz von Organextrakten in der ganzheitlichen Krebstherapie
Dr. med. Wolfgang Etspüler, Eppenbrunn
Für die Alte Medizin waren Tiere ebenso selbstverständliche Heilmittel wie Pflanzen und Mineralien. Dies gilt für antike Autoren wie Plinius ebenso wie für die frühmittelalterliche Mönchsmedizin und Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert. Tiere bzw. ihre Organe wurden entsprechend den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften gegen vielerlei Krankheiten eingesetzt. In der Behandlung von Vergiftungen spielten Tiere eine große Rolle; so als Zutat im „Theriak“, der fast die Stellung eines Wundertranks innehatte. Auch spielen magische Vorstellungen z.B. in der asiatischen Medizin bis heute eine Rolle z.B. bei der Verwendung von Nashorn-Pulver zur Potenzsteigerung (Tabelle 1).
Tabelle 1: Alte und neue Therapiesysteme mit Organen
Medizinsystem |
Präparation |
Therapeutische Gedanken |
Geschichte (Abendland) |
Organe als Nahrung, roh oder zubereitet |
Übergang von Eigenschaften (Stierhoden, Blut …) |
Traditionelle Chinesische Medizin |
Apothekenpräparation, z.B. getrocknete Würmer als Bestandteil von Mischrezepten |
Tradierte Wirkeigenschaften |
Organextrakt-Therapie |
Allopathische Organextrakte vom Kalb, Lamm oder Schwein, pharmazeutisch produziert |
hormon- und peptidvermittelte Wirkung |
Homöopathie |
Tierbestandteile oder Sekrete als potenzierte Arznei |
Arzneimittelbild gemäß Prüfung (Symptome) |
Homotoxikologie |
Potenzierte Organzubereitung |
Unterstütznug des homologen Zielorgans, z.B. Leber für Leberkrankheit |
Anthroposophische Medizin |
Tierbestandteile oder Sekrete als potenzierte Arznei |
Einsatz gemäß der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis, zur Harmonisierung |
Schulmedizin |
Synthetische Reinstoffe z.B. Humaninsulin u.a. Hormone oder lebende menschliche Organe z.B. Blut, Nieren zur Transplantation |
Substitution der Wirkung und/oder Funktion |
Heute versteht man unter der Organotherapie den Einsatz von verarbeiteten Extrakten, die aus den Organen hergestellt werden, meist vom Schwein, Schaf oder Rind. Es handelt sich hier um spezielle isolierte Herden, die auf Biohöfen gehegt und gepflegt werden. Den Tieren geht es gut, sie haben ein schönes Leben im Vergleich zu anderen.
Es erfolgt eine Aufarbeitung, die je nach Medizinsystem auch nach homöopathischen oder anthroposophischen Kriterien erfolgen kann und dazu noch andere pflanzliche oder mineralische Zusätze erhält. Bei diesen verdünnten/potenzierten Lösungen wird dem Körper ein Reiz (Signal) vermittelt, der eine Reaktion hervorruft. Dabei wird die körpereigene Regulationskraft gefordert, die letztlich zur Selbstheilung führt; dies ist bei allen homöopathischen Mitteln so.
Die Wirkung ist auf das jeweilige Organ bezogen (organotrop), das heißt, es wird das Organ/Organsystem als Extrakt verabreicht, das dem kranken Ziel entspricht. Es kommt zu einer Anreicherung des Organmittels in dem jeweiligen Zielorgan, was von verschiedenen Untersuchern bestätigt wurde (1). Dort bewirken sie örtlich den Reiz zur Regeneration oder Heilung.
Einsatz bei Krebskranken
Bei den häufig reaktionsschwachen Krebskranken werden unverdünnte und nicht potenzierte (allopathische) Präparate bevorzugt, es gibt eine Inhaltsangabe in Milligramm und eine Dosis-Wirkungsbeziehung wie bei „schulmedizinischen“ Medikamenten. Bei der Verarbeitung werden die tierischen Eiweiße, die ja große Ketten aus Aminosäuren (Polypeptide) sind in kleine Stücke (Oligopeptide) gespalten und separiert.
Diese Peptide haben dann den Vorteil, dass sie einerseits keine allergischen Reaktionen auslösen können und andererseits die Gefahr der Übertragung von infektiösen Eiweißkrankheiten (Prionen, BSE-Krankheit) vermindert wird, da die Prione große Eiweißketten sind und somit bei der Verarbeitung beseitigt werden. Es geht dabei sozusagen der tierische Charakter der Arznei verloren, so dass häufig auch vegan lebende Menschen diese Therapieform wählen.
Der schlechte Ruf, dass Organpräparate diese Gefahren bergen, stammte von dem historischen Einsatz von Frischzellen, die als Zellaufschwemmung direkt gespritzt wurden. Bei diesen wurde regelmäßig über zum Teil schwere allergische Reaktionen berichtet. Auch Todesfälle traten bei der Frischzellentherapie auf (2).
Im klinischen Einsatz in einem Zeitraum von 15 Jahren kann ich über 20 000 Injektionen von Organextraktarzneien überschauen. Zum großen Teil fanden die Organe Milz, Leber und Thymus in nicht-homöopathischer Dosierung Einsatz. Es trat keine einzige schwere Nebenwirkung auf, die ein Absetzen erforderte. Ein Patient klagte nach mehreren Thymusextraktspritzen über vermehrte Nervosität und „Aufgedrehtsein“, die Behandlung wurde beendet. Bei ihm bestand vorher schon eine leichte Tendenz zur Überfunktion der Schilddrüse, die aber nicht bei der Laborbestimmung der Schilddrüsen-Hormone zu erkennen war. Eine alleinstehende 74 jährige Dame lehnte eine Thymusinjektionsbehandlung bei mir ab; sie habe früher schon einmal eine Serie bekommen und danach sei sie „mannstoll“ geworden, das sei für sie ganz unerwünscht.
Thymus
Die Thymusdrüse liegt beim Menschen unterhalb der Schilddrüse hinter dem Brustbein und ist im Kindesalter bezogen auf das Gewicht am größten. Beim älteren Erwachsenen findet man nur noch geringe Reste. Entsprechend nimmt mit zunehmendem Alter die Konzentration der „Thymushormone“ ständig ab. Die nachlassende Thymus-Funktion trägt mit zu dem häufigeren Auftreten von Tumorkrankheiten im Alter bei (5).
Hormonartige Wirkung der Thymuspeptide
Die Thymusdrüse gibt eine ganze Reihe von Polypeptiden ab. Die wichtigsten sind Thymosin alpha1, Thymosin beta 4, Thymopoetin, Thymulin und Thymic Humoral Factor. Diese Stoffe haben eine hormonartige bzw. botenstoffartige Funktion. Im Knochenmark wird die Neubildung von Immunzellen (Lymphozyten) aus Stammzellen angeregt. Die Lymphozyten sind die Träger der spezifischen zellulären Abwehr im Menschen (Abb. 2). Auch die Bildung anderer Zellreihen wird unterstützt. Die neugebildeten Lymphozyten verlassen das Knochenmark und gelangen in die Thymusdrüse, wo sie eine immunologische Ausbildung und Reifung erfahren. Entsprechend dieser Herkunft werden sie dann T-Lymphozyten genannt.
Die immunstimulierenden Gewebshormone (Interleukine, insbesondere IL 2 - und die Interferon) steigen, was zu einer Aktivierung bereits vorhandener T-Lymphozyten führt. Es lässt sich auch eine Aktivierung von anderen Immunzellen (zytotoxischen T-Lymphozyten, NK-Zellen, neutrophilen Granulozyten, Monozyten-Makrophagen) nachweisen. Daneben haben Thymuspeptide eine regulative Funktion, indem sie die Balance zwischen den immunstimulierenden und immunberuhigenden Lymphozyten bei einer Störung wiederherstellen können.
Dies bedeutet, dass ein normalisierender Einfluß sowohl bei zu schwacher als auch bei überschießender Immunreaktion ausgeübt wird. Bei Allergien und Autoimmunkrankheiten kann Thymus hilfreich sein - im Gegensatz zu anderen Immunpräparaten, die einfach nur eine Stimulation bewirken. Darüber hinaus lässt sich ein antiviraler sowie (im Tierversuch nachgewiesener) ein direkt antitumoraler Effekt nachweisen (3).
Auf der Hormonebene bestehen enge Wechselwirkungen des Thymusorgans mit der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), der Psyche, der Schilddrüse und der Nebenniere. Diese komplexe hormonell anregende Wirkung begründet auch den Einsatz von Thymusextrakten beim Anti-Aging. Auf der Oberfläche von Thymuszellen finden sich Rezeptoren für Wachstumshormon, Prolaktin, Schilddrüsenhormon, Beta-Endorphin und Nerve Growth Factor. Gleichzeitig kann die Stimulation von Wachstumshormon, ACTH, Oxytoxin, Vasopressin und Beta-Endorphin angeregt werden (3).
Natürlich habe ich auch selbst Thymus an mir ausprobiert, um die subjektive Wirkung zu erfahren: Am Freitag Vormittag erfolgte die Injektion (Thymoject®) subcutan in die Bauchdecke. Am Nachmittag bestand an dieser Stelle ein kirschgroßes Infiltrat („Hubbel“) in der Unterhaut. Am Abend war ich etwas müder als sonst, schlief sehr gut und wachte früher auf als üblich. Ich fühlte mich munterer und absolvierte die bei mir Samstags übliche Dauerlaufstrecke in deutlich kürzerer Zeit, mit dem Gefühl einer Leichtfüßigkeit. Am Sonntag spürte ich subjektiv keine Wirkung mehr. Doping?
Studien
2006 wurde eine prospektive, doppelblinde, randomisierte und placebokontrollierte Studie mit Thymus-Extrakten bei 105 Patienten mit Darmkrebs abgeschlossen (CAT-Study). Die eine Patientengruppe wurde nur mit einer Chemotherapie (5-FU und Folinsäure), die andere Patientengruppe mit Chemotherapie und Thymusextrakt behandelt. Insgesamt kam es bei 54,9 Prozent der Patienten aus der Thymus-Gruppe (n = 51) zum Stillstand des Tumorwachstums oder sogar zu Rückbildung des Tumors. In der Placebo-Gruppe (n = 54) war die Ansprechrate mit 29,6 Prozent deutlich geringer (4).
Insgesamt ist die Datenlage für die Thymusextrakt-Therapie gut, es gibt ausreichend Studien, die die positiven Wirkungen belegen. Die untersuchten Krankheiten sind Brustkrebs, Darmkarzinom, Bronchialkarzinom, malignes Melanom (Hautkrebs), Hodgkin-Lymphome und Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphknoten-Krankheiten).
Die Ergebnisse zeigten eine (5):
· Erhöhung der Ansprechrate einer Chemotherapie
· Verminderung der Nebenwirkungen, insbesondere Infektionen
· Steigerung der Lebensqualität
· Steigerung von Überlebensraten und -Zeiten
Viele Studien wurden im Zusammenhang mit Chemotherapie durchgeführt. Der Grund dafür liegt auf der Hand, es hat etwas mit Ethikkommission, Studienplanung und Finanzierung zu tun.
Eine groß angelegte offizielle Studie, die eine normale konventionelle onkologische Therapie mit einem ganzheitsmedizinischen Therapiekonzept direkt vergleicht, war immer unmöglich. Es ist aber eine Erkenntnis unserer Erfahrungsmedizin in Form von Fallbeobachtungen, dass so eine Behandlung funktioniert. Anders als in einer Studie verlangt, entsprechen unsere Patienten nicht dem Durchschnittsmenschen, sie sind aktiver und führen praktisch immer eine Kombination verschiedener Verfahren durch, z.B. mit Fiebertherapie. An einer „Doppelblindstudie“ würden sie nicht teilnehmen.
Präparate
Bis vor wenigen Jahren gab es in Deutschland zwei Thymus-Fertigpräparate in Ampullen zur Injektion aus der Apotheke, das Thym-Uvocal® und das Thymoject®. Beide haben die Nachzulassung nicht bestanden, so dass jetzt nur noch die Selbstherstellung in bestimmten Apotheken oder speziellen Labors möglich ist. Die orale Einnahme als Tablette ist weiterhin möglich, jedoch in der Wirkstärke nicht vergleichbar. Ebenso sind potenzierte (verdünnte) Fertigarzneimittel in der Apotheke zur Injektion erhältlich, die nicht für jeden Patienten eine ausreichende Wirkung erzeugen.
Milz
Die Folgen einer Milzentfernung zum Beispiel nach Unfällen sind seit langem bekannt. Es lässt sich eine Senkung der Antikörperspiegel (IgM) bis auf 60 Prozent des Normwerts feststellen, es kommt zu einer Absenkung der IgG-Produktion, die peripheren zirkulierenden T-Lymphozyten werden reduziert und es lassen sich Differenzierungsdefekte an den B-Lymphozyten feststellen. Sie wandeln sich normalerweise in Plasmazellen um, die diese Antikörper produzieren.
Des weiteren kommt es zu Störungen der Aktivierung des alternativen Komplementsystems (kaskadenartiges Signalsystem des Körpers) und zu einer Verschlechterung der Fresszellen-Eigenschaften von Makrophagen und Granulozyten (Zellen der unspezifischen Abwehr, s. Abb. 2), was insbesondere die antibakterielle Abwehr beeinträchtigt.
Im therapeutischen Einsatz verbessert sich durch die Verabreichung der Splenine – so heißen die Peptide aus der Verarbeitung von Milzproteinen - insbesondere die Lebensqualität, z.B. in den Bereichen Appetit, Schlaf und geistig-seelischer Aktivität. Insbesondere während der Phase der onkologische Erstbehandlung fand man in Studien eine Reduktion von Nebenwirkungen und eine Verbesserung des Allgemeinbefindens (5). Bei Chemotherapien bestand ein Knochenmark schützender und Übelkeit reduzierender Effekt.
In den meisten Fällen werden auch die Splenine als Fertigarzneimittel eingesetzt, zumeist in der Kombination mit Leberorganextrakten (z.B. Faktor AF2 Ampullen®). Der Einsatz der Milz/Leber Peptide ist am effektivsten während und kurz nach einer Chemotherapie weil es deren Nebenwirkungen senkt. Im späteren Verlauf ist dann ein Thymuspräparat angezeigt.
Fazit
Die Organextrakttherapie stellt eine wirksame Komponente zur biologischen Tumorbehandlung dar, die im Rahmen eines therapeutischen Gesamtplanes zusätzliche Hilfe bietet, ohne den Patienten zusätzlich zu belasten oder zu gefährden. Der einzige Nachteil sind die Kosten, die von der Krankenversicherung meist nicht übernommen werden. Auch sollte der Arzt/Therapeut eine Erfahrung in der Tumorbehandlung haben, um Organotherapie, Mistel, Hyperthermie, energetische Medizin u.a. sinnvoll miteinander zu kombinieren.
Organpräparate in allopathischer Form (die potenzierten homöopathischen Präparate wirken anders) sind heute nur noch bei spezialisierten selbstherstellenden Apotheken oder selbstherstellenden Ärzten erhältlich. Gerne gebe ich Auskunft!
WE
1. Blobel, G. (Rockefeller University NY) Nobelpreis 1999: Organspezifität von Peptiden
2. http://de.wikipedia.org/wiki/Frischzellentherapie Stand 1/2014
3. Maurer HR, Goldstein AL, Hager ED (Editors): Thymic Peptides in Preclinical and Clinical Medicine. Reihe: Aktuelle Onkologie 96, W. Zuckschwert Verlag München
4. CAT Studie, vorläufiger biometrischer Bericht v. 6.3.2007, CRO IMEREM GmbH, 90478 Nürnberg
5. Hager ED: Komplementäre Onkologie. Forum-Medizin Verlagsgesellschaft, Gräfelfing 1996