Naturheilkundliche Schmerztherapie bei Palliativpatienten
Dr. med. Wolfgang Etspüler, Eppenbrunn
Zusammenfassung:
Die naturheilkundliche Schmerztherapie mit ihren verschiedenen Disziplinen eignet sich in hohem Maße zum Einsatz am Palliativpatienten. Orientierung am Symptom, an den Angaben des Patienten und an seinen Besonderheiten/Individuum sind sowohl für den Homöopath als auch Akupunkteur bekanntes Terrain und führen zu dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität. Es ergeben sich jedoch bei der Behandlung von schulmedizinisch schwerkranken und schwachen Patienten einige prinzipielle Besonderheiten, die besondere Strategien und Erfahrung benötigen: Interaktionen oder Nebenwirkungen von starken chemischen Arzneien, fehlende Regulationskraft, Kommunikationsstörung und Unterbringung in Hospizen, Heimen etc., in denen es das Verständnis und Interesse für diese Form der Medizin zu wecken gilt.
Key words:
Naturheilkundliche Schmerztherapie, Palliativtherapie, schwerkranker Patient, Regulationsstarre, gestörte Reaktionskraft, Hyperthermie gegen Schmerzen, Homöopathie bei Palliativpatienten, supportive Therapie gegen Schmerzen, Naturheilkunde und Lebensqualität
Die Schmerztherapie ist bekanntermaßen eine der Hauptdisziplinen bei der Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. Die Forschung in der Schmerztherapie und der Einsatz innovativer Pharmazeutika ermöglichen in vielen Fällen eine sehr effektive Kontrolle der Schmerzen; wo ist in diesem Umfeld der Stellenwert der naturheilkundlichen Schmerztherapie zu sehen?
Anders als zunächst vielleicht zu vermuten spielt der Stärkegrad der Schmerzen nicht die führende Rolle für die Entscheidung über den Einsatz eines naturheilkundlichen Verfahrens, sondern die Verfahren werden sowohl in der komplementären als auch in der alternativen Situation auch bei höheren Schmerzgraden eingesetzt. Auch beim Einsatz von Opiaten werden große Placeboeffekte beobachtet (1). Entsprechend sind mindestens ebenso starke Effekte von funktionell oder seelisch wirkenden Verfahren zu postulieren. Die geschichtliche Entwicklung zeigt außerdem, dass gerade die stark wirksamen Analgetika phytotherapeutische Vorläufer hatten wie Schlafmohn und Cannabis, sodass eine natürliche Herkunft nicht per se eine schwache Wirkung anzeigt.
Es empfiehlt sich eine eher pragmatische Vorgehensweise. Sowohl in der palliativen Schmerztherapie als auch in der Naturheilkunde spielt die Beobachtung des Kranken die wichtigste Rolle in der Beurteilung der Wirksamkeit. Hierbei wird zumeist die visuelle Analogskala eingesetzt. Dabei darf die allgemeine Lebensqualität des Patienten nicht außer Acht gelassen werden, sonst könnte der Fall eintreten, dass die Schmerztherapie erfolgreich ist, die Lebensqualität jedoch gleichzeitig absinkt. Eine genauere Befragung des Patienten und das Herausfinden seiner Vorstellungen und Wünsche ist daher unumgänglich.
Fallbeispiel 1 (Abb1):
Herr I., 58 Jahre, metastasierender Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Schmerzen vor allem durch eine Lymphknotenmetastasierung am li. Schlüsselbein. Er berichtete:
„Ich habe starke Schmerzen insbesondere bei Bewegung des linken Armes. Zunächst im Krankenhaus, später bei meinem Hausarzt erhielt ich zunächst Palladontabletten® in Kombination mit Celebrex®, später hatte ich auch ein Fentanylpflaster. Diese Präparate haben mir nicht geholfen. Der Schmerz bei Bewegung blieb. Erst nach Einnahme einer Tablette Effentora® verspürte ich keine Schmerzen mehr, befand mich jedoch für drei bis vier Stunden in einem lethargischen Zustand und lag auf dem Sofa. Danach wachte ich wieder auf und alles war wie vorher. Daraufhin habe ich alle Morphiumpräparate abgesetzt. Wenn ich den linken Arm nicht so viel bewege, tut er auch nicht so arg weh. In der Region um das Ulkus herum habe ich mir Emlasalbe® aufgetragen, so dass die Haut dort auch nicht mehr weh tat. Während dem Schlaf muss ich bestimmte Haltungen einnehmen, z. B. so (der Patient zeigt eine Haltung mit Lage auf der rechten Körperseite, der linke Arm ist im Schultergelenk etwas nach innen rotiert und angelegt). So komme ich ganz gut zurecht, nur manchmal nehme ich Novalgintropfen® ein. Des weiteren mache ich mir Sorgen wegen Anschwellens des linken Armes (Lymphödem) und wegen Wassereinlagerung in den Beinen (Unterschenkelödeme bds.).“
(Abb.1)
Bei Herrn I. kam ein naturheilkundliches Behandlungsprogramm zur Anwendung, das insbesondere abschwellende Maßnahmen enthielt. Es erfolgte eine Oberflächenhyperthermie mittels wassergefiltertem Infrarotlicht (Hydrosun ®) für den Bereich am Schlüsselbein. Als Basismedikation erhielt Herr I. Etoricoxib 60 mg, 1 x 1 Tbl. sowie eine Enzymtherapie mit 3 x 2 Tbl. Phlogenzym ®. Eine Misteltherapie wurde eingeleitet. Es konnte eine weitgehende Schmerzfreiheit erreicht werden, die Abduktion war beidseits bis 90 Grad möglich. Die peripheren Ödeme bildeten sich zurück, das Lymphödem am linken Arm ebenso.
Fallbeispiel 2
Herr K.S., 73 Jahre, hat seit 2000 (bis heute 2011) ein Gliom am Boden des 3. Ventrikel li. mit allmählicher Progredienz, Verlagerung der Mittellinie nach re., Kontakt zum Chiasma opticum. Aufgrund der Lage war keine OP möglich, Strahlensensiblität gering. Neurologisch besteht eine Visusminderung, ein Gesichtsfelddefekt li., eine reaktive Depressivität.
Er klagt vor allem über Kopfschmerzen, ständig, gelegentlich krisenartig zunehmend, im Nacken her entstehend über den ganzen Kopf, dann auch über den Augen, mehr li.. Die Schmerzstärke ginge bis VAS 8, Opiate bei Bedarf hätten nicht geholfen, davon sei ihm nur übler geworden. Die Beschwerden habe er auch schon vor dem Gliom gehabt, damals verbunden mit Übelkeit. Das MRT der HWS war vor kurzem unauffällig.
Herr S. berichtet, der Neurologe würde die Schmerzen immer auf den Tumor schieben, dabei könne er das deutlich unterscheiden, zum einen wäre da der Kopfdruck gelegentlich, das sei vom Tumor, zum anderen die Schmerzen vom Nacken her, das wäre ein HWS-Problem, er sei sich sicher.
Es erfolgte ein Behandlungsprogramm mit den Methoden der biologischen Tumorbehandlung wie Ernährungsumstellung, Misteltherapie, ausleitende Verfahren, physikalische Therapie, Ozon-Eigenblut, OM Medizin u.a.. Zusätzlich wurde eine Serie Ohrakupunkturen durchgeführt: Shen Men, Point Jerome, HWS 3 Nadeln jeweils beidseits. Die Schmerzen verschwanden rasch, nur gelegentlich wiederkehrend auf VAS Niveau 1-2.
Erfolg der Tumorbehandlung oder der Schmerztherapie?
Für die naturheilkundliche Schmerztherapie sind drei Faktoren bedeutend für den Erfolg einer Methode (unabhängig von der Schmerzstärke):
1. Patientenfaktoren
Patientenbedingte Faktoren haben größeren Einfluss auf das Behandlungsergebnis als in der konventionellen Medizin. Eine gute Voraussetzung liegt vor, wenn der Patient die Hinzuziehung einer komplementären Schmerztherapie aktiv wünscht, weil er in der Vergangenheit schon einmal gute Erfahrungen damit gemacht hat. Generell fördern eine hohe Patientenautonomie, sowie Aktivitätswunsch und Motivation des Patienten das Behandlungsergebnis in der naturheilkundlichen Therapie. Das Eingehen auf Wünsche und Vorstellungen des Patienten beinhaltet auch, dass die Methodenwahl möglicherweise durch ihn eingeschränkt wird.
Es kann z. B. sein, dass ein onkologischer Patient, der viele Infusionen und Injektionen hinter sich hat, keine positive Assoziation zu Akupunkturnadeln haben könnte.
Ein sehr materialistisch orientierter Patient könnte die Meinung vertreten, eine energetisch wirksame Therapie wie die Homöopathie beruhe auf einem Plazeboeffekt, „was man ihm da wohl zumute“, oder „das Ganze grenze an Quacksalberei“. Es kann jedoch sein, dass der gleiche Patient mit der Einreibung eines sanft wirksamen Externums einen guten Therapieerfolg erfährt.
Ein weiterer patientenseitiger Faktor ist die Situation im Krankheitsverlauf. Unter der Palliativphase versteht man im Allgemeinen die letzten Monate z. B. im Verlauf einer onkologischen Erkrankung. Zu Beginn dieser Palliativphase kann der Patient noch große Ähnlichkeit dem allgemeinen naturheilkundlichen Klientel aufweisen, so dass bei ihm die Regeln der Akupunktur, Neuraltherapie, Diätetik etc. genauso gelten wie im typischen Klientel einer naturheilkundlichen Klinik oder Praxis. Zunehmend im Verlauf einer seelisch und körperlich kräftezehrenden Krankheit - manchmal kontinuierlich, manchmal schubweise - verändert sich der Zustand des Patienten. Seine Reaktions- und Regulationsfähigkeit und seine Fähigkeit zur Kommunikation können schwinden. Die allgemeine körperliche und geistige Kraft lässt sich dabei ganz gut erfragen, die Regulationsfähigkeit des Patienten ist schwerer heraus zu finden. Sie ist insofern entscheidend, da viele NHK-Verfahren Reiztherapien (spezifisch und/oder unspezifisch) darstellen, die eine mehr oder minder starke Antwort des Organismus als Wirkprinzip haben.
Die Regulationskraft verläuft nicht parallel mit der allgemeinen Kraft, so dass es sein kann, dass ein sehr schwacher bettlägeriger Patient z. B. gut auf Homöopatika anspricht, ein noch mobiler Patient mit guter Lebensqualität für energetische Maßnahmen aufgrund einer Regulationsstarre keine Wirkung erwarten läßt.
Je eingeschränkter die Regulationskraft, desto eher muss ein Therapieverfahren gewählt werden, deren Wirkmechanismen in der materiellen oder zumindest funktionellen Ebene verankert ist (Tabelle 1). Diese Feststellung ist eher empirisch und pragmatisch zu handhaben, z.B. gehen Feinheiten einer sprachlichen Interaktion im Dialog mit einem stark sedierten Patienten unter. Ähnlich ist es mit empirischen Homöopathika unter Kortikoid-Therapie („Blockierung“).
Natürlich ist es nicht schädlich, mit den sehr milden Verfahren „drauf los“ zu therapieren, die Globuli sind ja aus Zucker und zuwendende Ansprache tut immer gut, auch wenn der Inhalt verloren geht. Es besteht dabei die Gefahr des Wirkungsverlustes durch Versinken in der Unspezifität. Sowohl der Schmerzpatient als auch der Therapeut verliert dabei das Vertrauen in die Methode, therapeutisches Potential wird verschenkt.
Die Wiederherstellung der Reaktionsfähigkeit des Organismus auf schwache (bzw. energetische) Reize stellt einen wichtigen Arbeitsbereich der naturheilkundlichen Therapie dar, der im Allgemeinen mit den Begriffen Ausleitung, Entgiftung, Fastenkur etc. beschrieben wird. Diese Maßnahmen spielen beim Palliativpatienten eine untergeordnete Rolle, z. T. sind sie kontraindiziert wie z. B. die Saftfastenkur nach Buchinger bei einem kachektischen Patienten! Aus diesem Grunde muss mehr oder weniger die gegebene Situation des Patienten hingenommen werden und das Therapieverfahren für ihn passend ausgewählt werden.
Die Regulationsfähigkeit des Patienten ergibt sich u.a. aus:
anamnestischen Angaben (z.B. Reaktionen auf Homöopathika-Einnahmen), dem Ablauf der bisherigen Therapien in der nahen Vergangenheit, Angaben von Angehörigen, vegetativen Funktionstesten, kinesiologischen Tests, bioelektrische Funktionsdiagnostik, Herzfrequenzvariabilität, Regulationsthermograpie nach Prof. Rost. Bei der letzteren handelt es sich um eine Wärmebildmessung bzw. die Interpretation der Temperaturveränderung nach standardisierter Exposition von 21° für 10 min (2). Bei Palliativpatienten findet man mit fortschreitendem Verlauf/Kachexie zunehmend ein typisches Reaktionsmuster: der Körperstamm weist diffus zu hohe Temperaturen auf; die Fähigkeit des Organismus, den Wärmeverlust im entkleideten Zustand zu minimieren durch Abkühlen (Minderdurchbluten) der Haut, geht immer mehr verloren bis hin zur (Thermo-) Regulationsstarre. Bei den elektrischen Testmethoden, die meist den Hautwiderstand messen, findet man ebenfalls viele/diffuse Veränderungen in Richtung zunehmender Parasympathikus-Aktivität bzw. höherer Hautwiederstand.
Die Bedeutung der apparativen naturheilkundlichen Diagnostik tritt mit zunehmender Entkräftung des Palliativpatienten in den Hintergrund zu Gunsten des Dialogs. Es bleibt dann häufig der Erfahrung des Therapeuten anheimgestellt, die richtige Entscheidung zu treffen (s.u. Therapeutenfaktoren).
2. Therapiefaktoren
Für die Wirksamkeit eines naturheilkundlichen Verfahrens spielt die Wahl der richtigen Wirkebene eine große Rolle (siehe Tab. 1). Primär sollte das Therapieverfahren so gewählt werden, dass es wenn möglich die zugehörige Ebene trifft, denn hier ist seine Hauptwirkung zu vermuten. Ein Kopfschmerz ohne organischen Befund würde vorzugsweise im energetischen Bereich behandelt werden, z. B. mit einem homöopathischen Einzel- oder Komplexmittel (z. B. Cefanalgin®) oder einer Akupunktur. Das gilt auch für Palliativpatienten, die bereits eine Basismedikation mit Morphinen haben. Bei Nichtansprechen muss die Bedarfsmedikation schon vorher feststehen, um zeitnah eine konventionelle Alternative zu haben. Für NHK-Methoden gilt die Forderung nach schnellem Wirkeintritt (einige Minuten) auch für energetische Therapien. Das Abwarten einer Wirkung im Gefolge einer Behandlungsserie von x Anwendungen wie beim chronischen Lumbalsyndrom ist beim akuten Fall nicht möglich.
Bei Beschwerden aus der funktionellen Ebene z. B. Spasmen der glatten Muskulatur bei Darmkrämpfen und Blähungen empfiehlt sich der Beginn mit einer heißen Auflage bzw. einem Bauchwickel; bei unzureichender Wirkung kommen danach Phytospasmolytika (z.B. 40 Trpf. Uzara ®) oder Carminativa (z.B. 30 Trpf. Carminativum Hetterich®).
Bei Schmerzen, bei denen materiell (an-) fassbare Veränderungen die Ursache sind, wird man eher eine materielle Strategie wählen, wie Entzündungsminderung mittels Enzymtherapie oder Tiefenhyperthermie zur Verminderung des Tumorvolumens. Diese Ebene bietet den Vorteil, dass sie am wenigsten Reaktionskräfte und Mitarbeit des Patienten verlangt. Der Nachteil ist eine „Grobklotzigkeit“ oder fehlende „Eleganz“, sodass der Charakter der sanften Medizin, die viele sich unter der NHK vorstellen, verlorengeht. Im o.g. Beispiel wären das 3 mal täglich 3 dicke Tabletten als Enzymtherapie bzw. eine technische Großapparatur mit Transport dorthin u.a. Nachteilen, die den Einsatz beim Schwerkranken erschweren. Angsteinflößende Umstände spielen hier eine bedeutende Rolle, z.B. bestürzt schauende MTA´s, die so einen Befund noch nicht gesehen haben.
Tab. 1
Manche Maßnahmen können bei geschickter Anwendung auf allen Ebenen wirksam werden, was man sich absichtlich therapeutisch zu Nutze macht (s.u. Therapeutenfaktoren) z. B. der Einsatz von Lavendelöl:
· als Phytotherapeutikum: in höheren Dosen wirkt Lavendel anxiolytisch (3), es ist zugelassen zur oralen Einnahme als Kapselpräparat (Lasea®)
· in der funktionellen Ebene wirkt die Massage mit Lavendelöl entspannend auf verhärtete Muskulatur.
· auf der energetischen Ebene ergeben sich durch die Zuwendung, die positiven Umstände und den angenehmen Geruch (auch als Aromatherapie in der Duftlampe) Wirkungen auf die Psyche.
Auf allen drei Ebenen findet man hier eine Wirkung zur Entspannung und Entkrampfung des Patienten.
Bei einem sehr schwachen Patienten mit verminderter Regulationskraft sind zunächst Maßnahmen der materiellen Ebene meist am wirksamsten. Die funktionelle Ebene setzt intakte Regulationsmechanismen z. B. im vegetativen Nervensystem voraus, die in vielen Fällen durch starke Medikation wie Opiate, Antidepressiva etc. beeinträchtigt ist. Die energetische Ebene ist noch störungsanfälliger, hier sind feinste regulatorische Mechanismen bzw. intrapsychische Vorgänge zur Wirkung notwendig, die durch viele Umstände, durch Behandlungen und Medikationen gestört werden können. Aus diesem Grunde sind die Umstände und Rahmenbedingungen unter denen eine naturheilkundliche Therapie stattfindet, wichtiger Teil des Therapiekonzeptes.
3. Therapeutenfaktoren
Die Bedeutung der Umstände erklärt, warum die Wirkung bestimmter Verfahren in Doppelblindstudien schlecht überprüft werden kann. Selbstverständlich wird ein guter Therapeut bewußt und unbewußt versuchen, bei der Einreibung mit Lavendelöl dem Patienten zu suggerieren, dass das für ihn hilfreich, muskelentkrampfend und angstlösend sei!
Die Interaktion zwischen Patient und Therapeut spielt für die Wirksamkeit eine große Rolle, genauso wie die ständige Beobachtung des Patienten. Die Anpassung an die Situation, Veränderungen der Beschwerden oder eine notwendige Veränderung der Analgetika-Basismedikation können eine Anpassung oder Veränderung der naturheilkundlichen Begleitbehandlung notwendig machen.
Wenn im Text von Therapeut geschrieben wird, so ist allgemein eine Person aus dem Umkreis des schwerkranken Patienten gemeint, die positiv auf sein Leiden und seine Lebensqualität einwirkt. Dazu gehören Pflegekräfte, Angehörige, Ärzte, Physiotherapeuten, spirituelle Führer, Heilpraktiker, Psychologen und Laienhelfer; im Extremfall kann auch ein Haustier hilfreich sein. Die Vielfalt bedeutet gleichermaßen große Ressourcen als auch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit im Team und fachliche Absprachen. Die Eignung bzw. der Befähigungsnachweis ergibt sich neben der Einschränkung durch gesetzliche Bestimmungen (Ausübung der Heilkunde) allein aus dem Willen des Patienten und des Erfolges, den er verspürt (es geht hier um Schmerzen!). Es lassen sich für die Schmerztherapie wie bei anderen Problemen der Palliativversorgung drei Gruppen ausmachen, die hilfreich in schwerster Situation sind:
· Die Naturbegabten (Heiler, Ehrenamtliche, psychologische Berater, …)
· Die erfahrenen Professionellen (Ärzte und Schwestern des Palliativdienstes…)
· Die Nächsten (Ehepartner, langjähriger Hausarzt…)
Natürlich könnte der Helfer auch allen Gruppen zugehören, was eher selten ist. Die Absprache bezieht sich zumindest darauf, die möglicherweise hilfreiche Aktion nicht zu stören, gering zu schätzen oder zu belächeln - Ärzte belächeln gerne Reiki oder Engelbilder unter dem Kopfkissen. Im Gegenteil, konstruktiv ist es den Patient auf dieser von ihm gewünschten (energetischen) Ebene abzuholen und dort zu therapieren z.B. mit Einzelmittelhomöopathie. Es kommt zu einer Wirkungsverstärkung.
Eine Aufgabe der erfahrenen Professionellen ist die Koordination, die Organisation und die Schadensabwehr z.B. gegen Scharlatane. Hilfreich ist es, einen Kreis von potentiellen Hilfspersonen zu kennen und mit ihnen Erfahrungen zu sammeln. Organisation: auf dem Lande ist es inzwischen sogar schwer, zum rechten Zeitpunkt einen Pfarrer herbei zu bitten!
Eine weitere Möglichkeit des Einstieges in eine Schmerzsituation bei nicht bekannter Reaktionsfähigkeit bietet die Möglichkeit, mehrere Verfahren gleichzeitig zu beginnen, die aus allen drei Ebenen stammen. Dies ist insbesondere möglich, wenn es sich um nebenwirkungsarme und milde Therapieverfahren handelt, die den Patienten nicht stark belasten. Bei richtiger Wahl kommt es zu einer Wirkungsverstärkung aufgrund unterschiedlicher Wirkmechanismen. Allerdings sollte die Gesamtmaßnahme für den Kranken zumutbar bleiben. Auf Dauer wäre es besser herauszufinden, was davon ihm geholfen hat um der Polypragmasie zu wehren.
Beispiel: Patient mit Metastasenleber, schmerzhaftes Druckgefühl im Oberbauch, Völlegefühl, Appetitlosigkeit, allgemeine Schwäche; Reaktionskraft nicht bekannt.
· Materie: Phytotherapie mit Mariendistel oder picrorhiza kurroa (Bai 50)
· Funktion: warmer Oberbauchwickel
· Energie: Schüsslersalz Nummer 10 (Natrium sulfuricum)
Aus dem bisher genannten ergibt sich, das zur Therapieauswahl und Therapieplanung bei der Vielfalt der in Frage kommenden Verfahren eine gewisse Erfahrung des Therapeuten bzw. im Team notwendig ist. Ein breites Spektrum an unterschiedlichen Methoden wird gefordert! Hierfür muss ein Fortbildungsprogramm eine ausreichende Expertise im Team sichern oder externe Therapeuten hinzugezogen werden. Allerdings haben diese oft keine Erfahrung mit Palliativpatienten! Das Fortbildungsprogramm sollte die Vermittlung von theoretischem und praktischem know how verschiedener naturheilkundlicher Fachrichtungen/Verfahren beinhalten, um für jeden Patient etwas Passendes zu finden. Der therapeutische „Werkzeugkoffer“ der Naturheilkunde führt zu einer Bereicherung gerade dort, wo Schulmedizin wenig erreichen kann.
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1 U. Bingel, V. Wanigasekera, K. Wiech, R. N. Mhuircheartaigh, M. C. Lee, M. Ploner, I. Tracey, The Effekt of Treatment Expectation on Drug Efficacy: Imaging the Analgesic Benefit of the Opioid Remifentanil. Sci. Transl. Med 3, 70ra 14 (2011)
2 A. Rost, Lehrbuch der Regulationsthermographie. Stuttgart: Hippokrates-Verlag, 1993
3 H. Woelk, S. Schläfke, A multi-center, double-blind, randomised study of the Lavender oil preparation Silexan in comparison to Lorazepam for generalized anxiety disorder. Phytomedicine (2010) Vol 17(2); 94-99